Teach your teachers well – Fridays for Future

 

Eine neue Bewegung

Ausgehend von Greta Thunberg und ihren Freitag-Schulstreiks vor dem schwedischen Parlament bis hin zu den Tausenden Schülerinnen und Schülern, die sich bei Schulstreiks für den Klimaschutz rund um den Globus von Austria über Australia engagieren, ist eine neue Bewegung entstanden. Sie ist längst schon auch an meiner Schule, dem PORG Volders, angekommen. Es sind Streiks der Schülerinnen und Schüler, die nicht von oben angeordnet werden und als eine Art befristete „Arbeitsniederlegung“ gegen die Schulregel der Anwesenheitspflicht gesetzt werden. Anders als bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt es keine Gesetze, die für den Schulbereich Streikregelungen vorsehen würden. Schuloffiziell fällt ein Streik in die Kategorie des „unentschuldbaren Fehlens“, das freilich mit Entschuldigungsschreiben von Erziehungsberechtigten in gewisser Weise sanktioniert werden könnte.

Als Lehrperson und damit auch als Vertreter der Schulordnung stehe ich auf der anderen Seite – eben der Schule, die symbolisch bestreikt wird. Dennoch schlägt mein Herz für die Schülerinnen und Schüler, die den Ernst der Lage erkannt haben, oder, wie es Greta Thunberg bei einer Pressekonferenz in Davos im Rahmen des Weltwirtschaftstreffens apokalyptisch formulierte, die erkannt haben, dass „unser Haus brennt“. Vielleicht müssten wir auch als Lehrpersonen mutiger werden und hin und wieder im Sinne von unseren Kindern und Enkelkindern in den Streik treten.

Junge Menschen fordern Erwachsene heraus

Greta Thunberg betont immer wieder, das sie die Aussagen der Wissenschaft über die Klimaveränderung ernst nimmt und daher Konsequenzen der Mächtigen – insbesondere der Parlamente – einfordert. Warum, so ihre Grundhaltung, soll ich als 15-Jährige in der Schule etwas für das Leben lernen, wenn in ihrer Lebenszeit durch die Klimaveränderung die Überlebensbedingungen aller Menschen massiv bedroht und infrage gestellt werden. Es gibt eine letzte Chance, die Klimaerwärmung noch auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, jene Grenze, die auf den Weltklimagipfeln und dem IPPC wie zuletzt in Katowice festgelegt worden ist. Schreitet die Erderhitzung allerdings mit dem gegenwärtigen Tempo weiter, auf 2 bis 6 Grad, dann gerät diese Welt ins Chaos. Umkehr muss jetzt radikal erfolgen durch entscheidende Schritte, die von Politikern und Staatenlenkern gesetzt werden. Schülerinnen und Schüler fordern von den politischen Instanzen mehr als Lippenbekenntnisse und halbherzige Lösungen.

In meiner Jugendzeit hörte ich gerne den Song von Crosby, Stills, Nash & Young mit dem Titel „Teach Your Children well“. Heute sind es wohl auch Greta Thunberg und mit ihr viele Tausende von Schülerinnen und Schüler, die uns Lehrpersonen lehren, weil sie  mit ihren Freitagsstreiks mehr wollen als halbherzige Lösungen. Sie verdrängen nicht – wie viele ihrer erwachsenen Bezugspersonen oder Lehrpersonen – die Tatsache, dass der eigene Konsum und das eigene Verhalten diese Welt unwiederbringlich zerstört.

Der freche und so notwendige Protest betrifft zunächst die Ignoranz der politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger. Blicken wir auf die Bilanz der Treibhausgas-Emissionen in Österreich, so steht mein Land in Bezug auf den Verlauf noch schlechter da als das Land, von dem die Schülerstreiks ihren Ausgangspunkt nahmen. Laut Bericht vom Umweltbundesamt vom Jänner 2019 stiegen die THG-Emissionen im Jahr 2017 auf 51,7 Mio. Tonnen, liegen also weit hinter dem 2020-Ziel von 47,80 Mio Tonnen, das auf der Grundlage des Pariser Abkommens erreicht werden sollte. Die Änderung der Emissionswerte hängt vor allem mit dem Verkehr zusammen, wo es zwischen 1990 und 2017 eine Steigerung von 9,7 Prozent gegeben hat. Was aber macht die türkis-blaue Regierung hierzulande? Flughäfen werden ausgebaut, Tempo-140-Zonen auf Autobahnen errichtet, Straßen werden ausgebaut und es gibt keine ökologisch-orientierte Steuerreform.

Wenn eine Schule bestreikt wird, fordert das aber auch alle heraus, die mit der Schule zu tun haben. Es betrifft nicht nur die Politikerinnen und Politiker. In München protestierten Schülerinnen und Schüler gegen Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. Täglich stehen vor der Rudolf-Steiner-Schule in München Schülerinnen und Schüler mit einem Transparent „Ihre Kinder sind groß genug, um S-Bahn zu fahren“. Diese Schülerinnen und Schüler stehen früher auf, um auf dem Schulgelände zu sein, wenn die Elterntaxis ankommen. Dann blockieren sie die Einfahrt zum Parkplatz der Schule. Herausgefordert sind aber auch die Lehrpersonen, die sich die Frage gefallen lassen müssen, warum sie nicht auch – wie die meisten Schülerinnen und Schüler – öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad benützen, um an die Schule zu kommen. Solche Fragen sind freilich unbequem und Antworten wie „ich muss ja rechtzeitig in der Schule sein“, „mein Weg ist zu weit“, „meine Schultasche zu schwer“ … taugen da nicht mehr. Die lateinkundigen Schülerinnen und Schüler haben längst schon erkannt, dass Sprüche wie „quod licet iovi, non licet bovi“ nicht tauglich sind für eine Schule, wo Lehrpersonen nicht Götter für Schülerinnen und Schüler sein dürfen, die wiederum keine Ochsen sind.

Ein neuer Lebensstil

Greta Thunberg ist authentisch, weil sie selbst vorlebt, was sie sagt: Nicht mehr ein Flugzeug benützen. Nur im Ausnahmefall in ein Auto steigen – und selbst da fährt sie mit einem E-Auto mit. Sie lebt vegan und verfolgt eine No-Shop-Strategie, was ihre Kleidung betrifft. Der Konsum wird auf das Notwendige eingeschränkt. Für das Klima streikende Schülerinnen und Schüler essen und trinken bewusst. Man sieht bei den Demos keine Red-Bull-Dosen. Die Schilder ihrer Botschaften sind bewusst auf alten Kartons geschrieben. Upcyling statt Ressourcenverschwendung. Für das Klima streikende Schülerinnen und Schüler sind energiesensibel. Sie nehmen Geräte vom Stand-by-Modus, weil diese auch außer Betrieb Strom verbrauchen. Das Internet-Modul hat einen Kipp-Schalter und ist nicht im Dauermodus, wenn es nicht gebraucht wird. Auch die Akkuladegeräte für Laptop oder Handy werden nach dem Aufladen abgesteckt. Schülerinnen und Schüler interessieren sich für den Haushalt daheim und helfen, ihre Eltern entsprechend zu erziehen: Waschmaschinen oder Geschirrspülmaschinen werden mit den Energiesparprogrammen (Eco, Öko) bedient. Beim Lüften werden gekippte Fenster vermieden, weil somit nur die Wände abgekühlt werden. Es wird mehrmals kräftig stoßgelüftet, was auch gegen Schimmelpilzbefall hilfreich ist. Wo immer es geht, werden LED-Lampen gegenüber Energiesparlampen bevorzugt, weil sie eine längere Lebensdauer haben, weniger Strom brauchen und kein Quecksilber enthalten.

In den Schulen werden die Folgen der Schulstreiks sichtbar. Beim Jausenbuffet werden ungesunde, minderwertige und ökologisch bedenkliche Produkte zu Ladenhütern, solange sie von den Schulgremien nicht ohnehin schon ersetzt worden sind. Man sieht kaum mehr einen Schüler oder eine Schülerin mit einem Papercup und die Fastenzeit wird zu einem Plastik-Verzichten-Versuch. In der Frühlingszeit sprießen nicht mehr die Mopeds vor den Schulen, sondern der Fahrradplatz wird schon fast zu klein. Schülerinnen und Schüler sind stolz darauf, wenn ihre Schulen das Label „ÖKOLOG-Schule“, „Klimabündnis-Schule“, „Umweltzeichen-Schule“ oder „Gesunde Schule“ tragen. Das von den Vereinten Nationen beschlossene 13. Ziel unter den Sustainable Devolpment Goals, Klimaschutz, wird im Schulalltag verwirklicht.

Die Reaktion der Schulverantwortlichen

Wir werden die Schulleitungen und die politisch Verantwortlichen hierzulande auf die Freitagsstreiks reagieren? Als positives Beispiel kann wohl die Reaktion der politisch Verantwortlichen in Südtirol gesehen werden. Beim ersten Schulstreik in Bozen am 15. Februar, bei dem 3000 Schülerinnen und Schüler teilnahmen, reagierten auch die politisch Verantwortlichen positiv. Landeshauptmann Arno Kompatscher begegnete den Schülerinnen und Schülern vor dem Landhaus: „Wir sind auf der Seite der Jugendlichen und spüren unsere Verantwortung für den Klimaschutz. Dies spiegelt auch unser Regierungsprogramm wider, in dem Nachhaltigkeit und Klimaschutz eine tragende Rolle spielen.“ Der Südtiroler Landeshauptmann kündigte auch an, einen Klimaschutzbeauftragten ernennen zu wollen. Bildungsrat Philipp Achammer meinte: „Es stimmt mich hoffnungsvoll, wenn Schüler sich mit der Umwelt und dem Klima auseinandersetzen und sich für mehr Umweltbewusstsein und für Nachhaltigkeit einsetzen und dafür – friedlich und begeistert – auf die Straße gehen.“ Und auch der Landesrat für die italienische Schule und Umwelt, Giuliano Vettorato, der ebenfalls auf dem Magnago-Platz anwesend war, erklärte, er teile die Sorgen der jungen Menschen und finde es lobenswert, wenn Jugendliche persönlich für ihre Anliegen eintreten.

Solche Stimmen geben jedenfalls Hoffnung, dass auch die künftigen Schulstreiks in Nordtirol unterstützt, nicht aber bekämpft oder schlechtgeredet werden. Dürfen auch die Schülerinnen und Schüler nördlich des Brenners auf zustimmende Worte von Landeshauptmann Günther Platter oder Bildungslandesrätin Beate Palfrader hoffen? Wie immer aber die Verantwortlichen reden und handeln: Der Protest der Schülerinnen und Schüler ist nicht davon abhängig. Das ist die Qualität der Bewegung von unten, die nicht mehr auf lobende Worte von oben angewiesen ist.

Klaus Heidegger, 28.2.2019