BIENNALE-Reflexionen – dazwischen Teil 2 – Rosen mit Messerklingen


ich liebe
also bin ich

ich liebe
also spüre ich

ich liebe
also bin ich verletzlich

rosen sind rot
rot wie die Liebe

rosen haben Stacheln
liebe kann sehr weh tun

rosen sind verletzlich
musst sehr achtsam sein

ich liebe
also bin ich

klaus 4.9.2019

 

Über dem Eingang des Österreich-Pavillons der Venedig-BIENNALE steht in großem Schriftzug und in metallenen Lettern „amo ergo sum“ – „ich liebe, also bin ich“. Descartes berühmtes Dictum „cogito ergo sum“ wurde pointiert abgewandelt, um jene Lebenskraft zu akzentuieren, die wohl noch viel mehr unser Sein prägt als die Rationalität des Denkens. Erfüllte Liebe ist jene Schöpferkraft, so die Künstlerin Renate Bertlmann, die nicht zu Krieg führt. Bertlmann hat eine kühne Installation in den Innenhof des Pavillons gesetzt. 312 mächtige rote Rosenköpfe aus massivem Muranoglas stehen in Reih und Glied wie die Soldaten in einer Armee. Spitze Messer ragen wie Bajonette aus der Mitte der Blütenblätter. Im Rot der Liebe sind die Messer der Verwundbarkeit eingepflanzt. Die gläserne Struktur der Rosen unterstreicht die Verletzlichkeit. Blüten und Messer, Lust und Schmerz – sie liegen so nahe beieinander. Die Feministin Bertlmann weist vor allem auch daraufhin, wie oft es Männer sind, die über Sexualität Herrschaft über Frauen ausüben, wie oft Frauen durch Männer entwürdigt, verletzt, diskriminiert werden. 312 rote Rosen mit Messerdornen stehen für die Fülle an Leid, das mit sexualisierter Gewalt ausgeübt wird.

klaus-heidegger, September 2019