Almenschaukeln im Herbst im Süden von Innsbruck

Vorbei geht es zunächst am Tierheim Mentlberg und der Jusitzanstalt Zieglstadl. Kurz bleibe ich dort stehen; Gedanken an die Gefangenen; wie es ihnen wohl geht; wie Versöhnung wieder gelingen könnte; hinauszukommen nach Unrecht, das begangen wurde. Ich bin frei, kann hinausfahren; meine Gitterstäbe sind unsichtbar.

Es gibt von Innsbruck aus keinen Alternativweg hinauf nach Götzens. Selbst um diese Sonntagsvormittagszeit ist die Götzener Landesstraße vielbefahren. Zum Glück sind es nur 3 Kilometer Anstieg im Schatten des Tales. Die Rokoko-Fassade der Pfarrkirche von Götzens ist ein architektonischer Hingucker: Die rhythmisch angeordneten Rundbogenfenster, das Kranzgesims, der Wellengiebel, die Kirchenpatrone Peter und Paul in den Rundbogennischen und an der Spitze des Giebels ist Maria Immaculata. Meine Gedanken gehen an den Seligen Otto Neururer, der hier als Pfarrer vor seiner Hinrichtung durch die Nationalsozialisten wegen seines widerständischen Lebens tätig war.

Danach beginnt der sehr steile 4-km-Forstweg zur Götzner Alm. (1542m) 20-Grad-steile Strecken sind keine Seltenheit. Nur einmal überholt mich ein E-Bike-Fahrer und eine Wanderin grüßt mich freundlich. Ansonsten bin ich allein. Die meisten benützen die Seilbahn auf die Mutterer Alm, wenn sie zur Götzner Alm wollen. Auf der Sonnenterrasse genießen viele den wunderbaren Herbsttag. Verlockend wäre es, jetzt einen der vielen Steige auf die Nockspitze zu gehen. Ich nehme die Querung zur Mutterer Alm bzw. zu dem Bergstationsgetriebe, fahre aber gleich weiter Richtung Raitiser Alm (1550). Meist ist der Forstweg im Schatten. Golden leuchten die Nadeln der Lärchen, als brennte in ihnen ein Feuer. Im Hintergrund kommen nun die weißbedeckten Gletscherriesen der Zillertaler Alpen heraus. Erst vor drei Wochen war ich noch am Olperer unterwegs, der mir jetzt strahlend weiß entgegen leuchtet. Nur selten begegnen mir anderer Radler. Für die meisten ist wohl die Radsaison vorbei. Der Weg führt weiter zur vierten Alm: Kreither Alm. Sie liegt ganz im Schatten. Die Stühle und Tische sind längst weggeräumt. Ab nun geht es hinein ins Stubai. Zunächst ist es noch ein Fahrweg, dann aber wähle ich den Wandersteig hinein zur Pfarrachalm. (1.740m) Die Alternative wäre gewesen, nochmals tiefer hinunter zu fahren. Heute aber sind kaum Wanderer unterwegs. Mehr und mehr öffnen sich die Blicke ins Stubai und auf die bekannten Berge – Serles, Kirchdach, Habicht, Elfer, Zwölfer, Freiger, Zuckerhütl … – sie waren meine Sommerberge 2021. Retour geht es dann über die Telfer Wiesen entlang der Stubaitalbahn nach Mutters und Innsbruck. Gesamt: 5 Almen, unglaublich farbintensive Eindrücke, Einsamkeit trotz Stadtnähe, kühle Herbstluft im Schatten und wärmende Strahlen in der Sonne, 45 km an Länge und 1573 m an Höhe.

Sonntag, 24.10.2021