Mit Gott oder dem Mammon einer Gewaltherrschaft begegnen

Das Land war besetzt. Überrannt von einer fremden Armee. Söldnertruppen massakrierten. Sie wurden befehligt von einem Imperator und seinen Vasallen. Schon seit vielen Jahren. Eine brutale Besetzung. Eine furchtbare Besatzungszeit. Auch vor dieser Gewaltherrschaft gab es eine andere. Immer wollten die Gewaltherrscher ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Ideologie den Eroberten aufzwingen. Die alten Wunden waren noch nicht geheilt. Es geschahen die schlimmsten Verbrechen. Frauen wurden vergewaltigt. Männer, die sich wehrten, wurden auf grausame Weise getötet. Zugleich verarmte der größte Teil der Bevölkerung. Es litt an Hunger. Das Volk der Unterdrückten, Misshandelten, Ausgebeuteten war verzweifelt. Ein gewaltsamer Widerstand auf Seiten der Opfer schien legitim. Aufstände brachen aus und erhöhten doch wieder die Gewalt der Besatzer. War da nicht ein gewaltsamer Widerstand nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten?

Da kam aber ein anderer mit einer so ganz anderen Botschaft und Strategie. Und er sprach Worte wie

„Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ (Lk 16,13)

Liebe beim Friedensgebet Versammelte! Als ich mit meiner Predigt begann, habt ihr sicher gedacht: Jetzt spricht er vom Krieg in der Ukraine, über das, was wir seit sieben Monaten täglich in den Nachrichten hören und sehen. Von einem Imperator, der gegen jedes Völkerrecht einen Staat überfällt, in dem Söldnertruppen oder zum Krieg Gezwungene zerstören, morden, vergewaltigen. Es ist aber auch ein Land, das sich zur militärischen Gegenwehr legitimiert fühlt, in dem der Aggressor mit Waffengewalt bekämpft wird, wo daraufgesetzt wird, den Gegner mit Waffengewalt niederzuringen.

Palästina im ersten Jahrhundert und die Ukraine im 21. Jahrhundert. Es gibt die Analogien. Daher ist die klare Botschaft Jesu vom Gewaltverzicht gerade auch mit Blick auf die gegenwärtigen Kriege wie ein bleibender Wegweiser.

Der Vers ist aus dem 16. Kapitel des Lukasevangeliums. Exegetisch gesehen dürfte es ein typisches Jesuswort sein, das aus der Logienquelle Q stammt und von der lukanischen Redaktion in den Kontext von Gleichnissen und Reden gestellt worden ist. Typisch für die jesuanische Rhetorik ist eine radikale Kontraststellung. Es gibt nur: So oder so! Kein Dazwischen. Entweder Gott oder Mammon. Jesus paraphrasiert mit seinem Worten eine zu seiner Zeit geläufige rabbinische Redewendung: „Ihr könnt nicht Gott und Teufel dienen!“

Mich haben diese bekannten Worte Jesu seit dem letzten Sonntag, als es in den katholischen Kirchen gelesen worden ist, beschäftigt. Ich versuche sie mit Blick auf die aktuelle Kriegssituation in der Ukraine zu lesen. Dabei gilt es zwei Fragen zu beantworten. Erstens: Wer oder was ist der Mammon? Und zweitens: Wer ist Gott bzw. das, was für das Göttliche steht?

Der Mammon bzw. das Teuflische hat mit der jüngsten Rede von Wladimir Putin, in dem er zum einen eine Teilmobilmachung anordnete und zum zweiten dem Westen mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen drohte, einen Namen. Der Mammon sind die Atomwaffen. Wer immer auf die Abschreckung durch Atomwaffen setzt oder mit dem Einsatz von taktischen Atomwaffen droht, unterwirft sich dem Teuflischen. Dem Mammon dienen, das bedeutet, sich auf die militärische Logik einzulassen: Gewalt mit Gewalt zu beantworten, Waffen gegen Waffen, Panzer gegen Panzer, Artillerie gegen Artillerie, Kampfflugzeuge gegen Kampfflugzeuge, Soldaten gegen Soldaten. Ganz in dieser Logik steht die Mobilmachung von Putin. In dieser Logik stehen aber auch die massiven Waffenlieferungen, die einen Angriffskrieg nicht stoppen, sondern nur verlängern und eskalieren lassen.

Was könnte Jesus meinen, wenn er davon sprach, Gott zu dienen? Es hieße wohl, sich auf eine andere Logik einzulassen. Was ist die jesuanische Strategie angesichts von militärischen Eroberungen, Besetzungen, Zerstörungen, Gewalttaten?

Es bedeutet, selbst die Feinde zu lieben, wie Jesus in der Bergpredigt meinte. Aus Feinden Freunde machen. Es ist möglich! Den Feind nicht bezwingen, sondern ihn zur Umkehr bewegen.

Es bedeutet, die andere Wange hinzuhalten  nicht im Sinne einer Akzeptanz von Unrecht und Gewalt, sondern einer wirkungsvollen Strategie der Entfeindung, an deren Ende es nicht Sieger und Besiegte gibt, sondern Versöhnung.

Es bedeutet die jesuanische Warnung ernst zu nehmen, die lautet: „Wer zum Schwert greift, wird selbst durch das Schwert umkommen“.

Heute vor fast genau sieben Monaten sind wir auch hier in der Spitalskirche beim Friedensgebet gewesen. Wir haben gehofft und gebetet, dass es zu keinem Krieg kommt. Zwei Tage später, am 24. 2., kam er dann doch. Nun haben wir viele Monate Krieg in Europa erlebt. Millionen Menschen sind geflohen. Kriegsverbrechen wurden begangen. Unvorstellbare Grausamkeiten. Tausende Menschen sind in den Kampfhandlungen und auf den Schlachtfeldern getötet worden. Auf beiden Seiten! Große Städte wurden in Schutt und Aschen gelegt. Zurück bleiben zerstörte Landstriche. Es gibt keine militärische Lösung

In all dem Kriegsgeheule der vergangenen sieben Monate war Papst Franziskus eine so wichtige Stimme, die nicht auf die militärische Karte gesetzt hat.

 „Der Friede ist möglich, wenn die Waffen schweigen und der Dialog beginnt.“  Sagte Franziskus am Sonntag beim Angelus-Gebet vergangenen Sonntag. Und letzte Woche bei einem Treffen in Kasachstan meinte Papst Franziskus: „Ich schließe den Dialog mit einer Macht, die Krieg führt, nicht aus, auch wenn es der Angreifer ist.“ Es bestehe immer die Möglichkeit, dass der Dialog den Verlauf der Dinge ändere. Dass er neue Perspektiven und neue Überlegungen eröffne. Wenn es den Dialog nicht gebe, gebe es Ignoranz oder Krieg.

Auf Dialog zu setzen inmitten von einer militärischen Eskalation, die wir heute gerade erleben, das bedeutet wohl: Gott und nicht dem Mammon zu dienen.

Amen
(Ansprache beim Friedensgottesdienst in der Spitalskirche in Innsbruck, 22.9.2022)

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