verklärt und klar – zum Evangelium von der „Verklärung“ Jesu

verklärt
wie verliebte Blicke
in die Tiefe der Seele
ohne Scham den Blick zu wagen
ohne Angst einem Du zu wenig zu sein
mit der Erfahrung
einem Du wertvoll zu sein

verklärt und klar
wie ein eiskalter Bergsee
frei vom Dreck
mit Blick in die Tiefe
verstehen was nottut
begreifen was hilft
beschenkt sein im Augenblick

an einem siebten Tag war es
in der Fülle der Zeit
Jakobus, Johannes und Petrus
drei starke Typen
Jakobus, der Rebellische
Johannes, der zweite Donnersohn
Petrus, die Leitperson

auf einen Berg wollten sie gehen
bereit mit Jesus zu ziehen
bereit zum beschwerlichen Aufstieg
hinaus aus der Komfortzone
hinaus aus dem alltäglichen Trott
bereit zum Gebet und zur Aktion
bereit Grenzen zu überwinden

drei Apostel sie waren
drei suchend Wagemutige
die Drei sahen Mose, Elija und Jesus
mit verklärten Augen sahen sie
Mose und die Bedeutung des Gesetzlichen
Elija und die Bedeutung des Prophetischen
beides vereint in prophetischer Gesetzlichkeit Jesu

drei Hütten wollten sie bauen
keine Tempel und keine Kirchen
nur ein flüchtiger Schutz für die Träume
nur ein Ruheplatz in Zeiten der Unruhe
eine für Mose
eine für Elija
eine für Jesus

klaus.heidegger, Gedanken zu Mk 9,1-5 par

Die Verklärung Jesu in den Evangelien: eine Interpretation

Am 2. Fastensonntag sieht die katholische Leseordnung folgende Bibelstelle vor.

„In jener Zeit
nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite
und führte sie auf einen hohen Berg,
aber nur sie allein.
Und er wurde vor ihnen verwandelt;
3 seine Kleider wurden strahlend weiß,
so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann.
4 Da erschien ihnen Elíja und mit ihm Mose
und sie redeten mit Jesus.
5 Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind.
Wir wollen drei Hütten bauen,
eine für dich, eine für Mose und eine für Elíja
…“

Am 6. August wird diese Bibelstelle wieder gelesen werden, wenn die römisch-katholische Kirche an diesem Datum das „Fest der Verklärung des Herrn“ feiert. Die entsprechende Erzählung aus den Evangelien hat sich tief in unser christliches Glaubenswissen eingeprägt. Zahlreiche berühmte Bilder aus der Kunstgeschichte helfen uns, die bei allen drei Synoptikern in fast gleicher Weise geschilderte Szene in Erinnerung zu halten. Vor einigen Jahren stand ich in den Vatikanischen Museen lange vor Raffaels Gemälde „Die Transfiguration Christi“ und meine Schülerinnen und Schülern drängten ihren Prof. dann doch dazu, etwas schneller weiterzugehen.

Die Erzählung
Die biblische Verklärungsgeschichte ist schnell erzählt: Jesus hat drei Jünger – Andreas, Jakobus und Petrus – beiseite genommen und sie auf einen nicht näher bezeichneten hohen Berg geführt. Heute wird er meist mit dem Berg Tabor identifiziert. Dort verwandelt sich Jesus vor ihren Augen in ein strahlendes Weiß. Die Jünger sehen ihn mit Mose und Elija reden. Ganz hell-weiß-strahlend ist dieses Erlebnis für sie, wunderschön. Da kommt die so verständliche Reaktion des Apostelfürsten Petrus, dem Struktur und Amt stets ein großes Anliegen sind. Ganz praktisch denkend will er dieses Ereignis bewahren und schlägt sofort vor: „Lasst uns drei Hütten bauen!“

2×3 = Beziehung und Gemeinschaft
Interpretativ eindeutig ist beispielsweise die doppelte Dreierstruktur. Es sind erstens drei Apostel und zweitens das Dreiergespann von Mose-Elija-Jesus. Die Zahl 3 symbolisiert Gemeinschaft, Beziehung und Ganzheit.

Sozialhistorisch-politische Deutung
Die Reaktion des Petrus und der Jünger ist verständlich. Sie wussten wohl längst, wohin ihr radikaler Weg des Widerstands führen könnte. Wenn sie mit ihrer Kritik an der römischen Besatzungspolitik und an der Lokalaristokratie in Jerusalem so weiter machen würden, dann könnte es ihnen ergehen wie all den jüdischen Widerstandskämpfern: im schlimmsten Fall ein grausamer Tod am Kreuz. Dass Jesus aber mit Mose und Elija auf Augenhöhe ist, ermutigt die Jünger dann doch trotz all der Gefahr, ihre Existenz als Wanderradikale wieder aufzunehmen und die messianischen Verheißungen nicht aufzugeben. Gestärkt vom Verklärungserlebnis wagen sie wieder den Abstieg in die Niederungen.

Hütten und keine Paläste
Die römisch-katholische Kirche hat sich im Laufe der Kirchengeschichte auf Geheiß der Nachfolger des Petrus oft nicht mit „Hütten“ begnügt, sondern Paläste erbauen lassen. Manche dieser Mauern lähmen heute noch christliches Leben und verfestigen Ungleichheiten und Abhängigkeiten.  Die manifestierte Genderungerechtigkeit in der Kirche ist ein Ausdruck davon.

Verklärte Augenblick heilen
Die Geschichte von der Verklärung Jesu hat aber nicht nur die genannte politische sowie kirchlich-systemkritische Funktion. Ich denke an eigene Verklärungserlebnisse und Erfahrungen, wo ich wie Petrus fühlte und dachte und Hütten bauen wollte. Dann aber kommt es zu jenem auch schmerzlichen Augenblick des Begreifens: Ich kann das erfahrene Licht nur als kostbaren Schatz in der Seele bewahren. Zugleich schenken mir solche Verklärungserlebnisse den Glauben an eine Welt, in der Himmel erfahrbar werden kann, oder, um es mit einem Aphorismus von Nietzsche und später von Frankl zu sagen: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.

Klaus Heidegger
(Bild: neulich bei einer Laufrunde in den Wäldern bei Siegburg)

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