
In diesem Jahr 2025 sind seit dem Konzil von Nicäa 1700 Jahre vergangen. Das Nizänische Glaubensbekenntnis markiert seit dem Jahr 325 die Grundlage des Glaubens aller christlichen Kirchen. Sowohl der Arianismus als auch der Monophysitismus, die eine strikte Trennung von Göttlichem und Menschlichem lehrten, wurden auf dem Konzil von Nicäa zurückgewiesen. Gott* kann wirklich ganz Mensch werden. Eine strikte Trennung von Sakralem und Profanem entspricht nicht dem christlichen Glauben. Gott* kann und will in dieser Welt die bewegende Kraft sein. In all dem, was mit Weltlichkeit bezeichnet werden kann, kann sich die befreiende und liebende trinitarische Gottkraft entfalten. Im Geburtstagsjahr unseres Glaubensbekenntnisses gilt es daher die heutigen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen aus der Perspektive von Nicäa zu sehen. Wenn Gott* ganz Mensch werden will und kann, dann bedeutet es, sich für eine radikale und grenzenlose Humanität einzusetzen. Die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen kann in diesem Sinne wohl als die säkulare Variante der Inkarnationstheologie interpretiert werden. Eine Politik, die menschenrechtswidrig das Asylrecht außer Kraft setzen will, ist ein Widerspruch zu Nicäa. Wenn Gott* gleichsam mit Haut und Haaren, also auch in menschlicher Ganzheit von Körper-Seele-Geist – und damit wesentlich mit all den sexuellen Dimensionen – Mensch werden kann, dann bedeutet es, solche Menschwerdung als Kritik an dem antiwoken populistischen Geplärre zu sehen. Gott* wird Mensch in den vielfältigen Formen, die dem Geist der LGTBQ+Bewegung entspricht. Gott* ist zu groß, um ihn auf eine bürgerlich getrimmte Mann-Frau-Zweierbeziehung zu reduzieren. Jede Leibfeindlichkeit, die sich in der Geschichte vor allem gegen Frauen oder gegen Schwule, Lesben und Transpersonen richtete und sich noch in manchen Katechismussätzen, im Zölibatsgesetz oder dem strukturellen Ausschluss von Frauen von Weiheämtern festkrallt, ist letztlich antinicäisch.
Dr. theol. Klaus Heidegger, MAS