Auferstehungs-Auferweckungs-Gedanken zum Osterfest

Ostern folgt bestimmter Dramaturgie
fünf Dimensionen werden durchlebt und durchlitten:

nach dem messianischen Jubel des Palmsonntags
dem eucharistischen Teilen des Gründonnerstags
dem Aufnehmen vom Kreuz des Karfreitags
dem Wahrnehmen der Leere des Karsamstags
folgt das Halleluja der Osternacht.

Die fünf Dimensionen der Karwoche
sich widerspiegelnd im Leben der Menschen und dem Sein der Welt:

Begeisterung, die sich angesichts der Realitäten nicht durchhalten lässt
gemeinsame Feiern, die Freude und Kraft zum Widerstand schenken
das millionenfache Leiden angesichts der Zerstörung des Planeten
das verzweifelnde Erschrecken angesichts von so viel Leid
und dann immer wieder: trotzige Aufbrüche zu neuem Leben.

Ostern ist nicht billig zu haben
ganzer Einsatz, ganze Person ist gefragt.

Ostern braucht das messianische Engagement
Ostern braucht das gemeinsame Mahlhalten
Ostern geht durch die dunklen Stunden der Karfreitage
Ostern geschieht durch die einsame Annahme des Leids
Ostern kann nur so gelingen.

Ostern beginnt nicht nach dem Tod
im Hier und Heute geschieht Auferstehung:

Ostern ist nicht Sache von Vertröstung
ist kein leeres Geschwätz
ist keine Ablenkung von dieser Welt
ist vielmehr liebevolle Hinwendung zu ihr
um sie annehmend zu verwandeln

Ostern ist Auferstehung
ist Aufbruch in ein neues Leben
ist Abstreifen von alten Belastungen
ist Neubeginn
ist der Glaube „eine andere Welt ist möglich“.

Ostern ist wie Mirjam von Magdala:
Liebe, die Gewaltstrukturen sprengen kann
Zuneigung, die sich nicht einschränken lässt
Kampfgeist, der ungebrochen bleibt.

Ostern lässt sich nicht eingraben
die Grabwächter verlieren ihre Arbeit
die Schlüsselproduzenten melden Konkurs an.

Ostern ist keine Eigendrehung
kein egoistisch-narzisstisches Kreisen um sich selbst
kein Verharren in den Kuschelecken.

Ostern ist Emmausgang
hinausgehen, weggehen, gemeinsam gehen
sich dem Fremden öffnen
mit dem Fremden teilen
und so den Auferstandenen erkennen.

Ostern ist wie Thomas
durch den Zweifel durchzugehen
Wundmale wahrzunehmen
um zu begreifen
was heute nottut.

Ostern ist Gemeinschaft mit Menschen,
die aufbrechen wollen
die nicht sagen „das war schon immer so“.
Ostern sind Freundinnen und Freunde
mit denen ich Träume teilen kann
mit denen ich Träume verwirklichen kann.

Ostern ist hochpolitisch
ist Rebellion gegen Ungerechtigkeiten
ist Aufstand gegen zerstörerische Mächte
ist Widerstand in sündhaften Systemen
ist Reich Gottes im Jetzt.

Ostern lenkt den Blick
auf die Zukurzgekommenen,
damit ihnen Gerechtigkeit widerfährt
auf die an den Rand Geschobenen
damit sie in die Mitte geholt werden
auf die Entmündigten
damit sie eine Stimme bekommen.

Ostern ist nicht esoterisch
Ostern ist nicht Spekulation und wundersüchtiger Glaube
Ostern hat historische Evidenz
lässt sich dokumentieren in Auferstehungsgeschichten
politisch und individuell.
Ostern sind die Exodusgeschichten
im Damals und im Heute.

Möge in diesem Sinne
Dein und mein Ostern gelingen.
Möge Dein und mein Halleluja
kräftig erklingen
als Auferstehungsschrei gegen das Leid
als Trostruf angesichts noch unerfüllter Sehnsüchte,
als Weckruf zur Veränderung
als Lockruf nach den Seelenverwandten
als Hoffnungsruf für echtes, unverkürztes, ganzes Leben
als Jubelruf angesichts erlebter Auferstehung.
Halleluja

Klaus Heidegger, Ostern 2019

 

(Ausschnitt aus einem Bild von „The Week“, Protestkundgebung der Extinction-Rebellion-Bewegung in London in der Karwoche 2019)