österliche Existenzweisen

geblieben die Erfahrungen von heilendem Zusammensein
bleibend provozierend die Reinigung des Tempels
unvergessen der messianische Jubel des Palmsonntags
bekräftigend das Brotbrechen des Gründonnerstags

beispielgebend die Fußwaschung
noch immer erschüttert von der Grausamkeit des Kreuzweges am Karfreitag
erschaudernd vor der Leere des Karsamstags
befreiend das Halleluja des Ostermorgens

österliche Existenz ist nicht billig zu haben
sie kennt den Widerstand gegen die Mächte des Todes
sie bekommt Schwung durch die Erfahrung des Jubels
sie teilt die Phantasien von einem besseren Leben für alle

sie geht durch die vielen schweren Stunden
sie hält die unerfüllten Sehnsüchte durch
sie kennt die Erfahrungen des Auferwecktwerdens
sie führt in all dem zum Auferstehen

österliche Existenz beginnt in der Gegenwart
sie vertröstet nicht mit Ausreden
sie schöpft die Kraft aus Vergangenem
sie wird belebt mit Blick auf ein Morgen

sie lenkt nicht ab von der Welt
sie wendet sich ihr liebevoll zu
sie verdrängt nicht das Leibliche
sie nimmt es dankbar an als göttliches Geschenk

österliche Existenz ist wie Mirjam von Magdala
sie liebt über den Tod hinaus
sie sucht den Auferstandenen mit ihrem Salböl
sie lässt sich durch Gewalt nicht kleinkriegen

sie sprengt die lebensfeindlichen Normen
sie widersetzt sich dem Gerede der Mächtigen
sie wird beauftragt als Apostelin zu wirken
sie verkündet die Botschaft der Befreiung

österliche Existenz ist wie der Apostel Thomas
er setzt sich dem Zweifel aus
er begnügt sich nicht mit frommen Worten
er resigniert nicht vor den Mächtigen

er will begreifen die Wirklichkeit von Auferstehung
er sieht die Wunden im Leben
er erkennt Jesus im Leid dieser Welt
er verkündet die Botschaft der Heilung

österliche Existenz ist wie die Emmausjünger
sie lassen die Trauer zu
sie brechen auf
sie gehen miteinander

sie öffnen sich dem Fremden
sie teilen miteinander Brot
sie reden miteinander
sie erkennen darin Auferstehung

Klaus Heidegger, Ostern 2020