„Kirche im Herzen der Stadt“ – Stadtspaziergänge im Rekonvaleszenzmodus (1)

Meine Texte entstehen im Kontext des Augenblicks, sind Momentaufnahmen, sind verstrickt mit Situationen, in die ich hineingeworfen bin, erzählen, meist verschlüsselt, von Begegnungen, verschlüsselt, um die Intimität dahinter nicht zu stören. Die Texte sind verbunden mit Orten, an die ich komme, oftmals Zufallsorte, in denen ich plötzlich verweile und manchmal auch in die Vergangenheit eintauche, die immer verbunden ist mit dem Heute. Momentan sind in meiner Post-Coviderkrankungs-Situation keine Skitouren möglich und ich sehe die schneebedeckten Gipfel sehnsüchtig unter dem kräftig blauen Winterhimmel nur von unten. Da ist dann Zeit für rekonvaleszente und geduldige Spaziergänge durch die Stadt, verbunden mit einem Innehalten in einer der vielen Kirchen.

Eine davon ist die barocke Spitalskirche in der Maria-Theresien-Straße. Seit 2018 trägt sie die Bezeichnung „Kirche im Herzen der Stadt“ oder „Citykirche“ und verkörpert engagiert ein neues pastorales Konzept, das sich „missionarische Pastoral“ nennt. Die barocke Kirche mit dem pinken Anstrich aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurde zu einem Ort, in dem das sehnende Suchen von Menschen nach Gott* in ihrem Leben unaufdringlich aufgegriffen wird, wo moderne religiöse Kunst in barocker Umgebung aufleben kann und wo in religiösen Angeboten der Glaube eine Sprache finden kann. Im letzten Jahr war ich öfters hier, um selbst Führungen zu machen zur Ausstellung „Gebt mir Bilder!“, als in dieser Kirche das große Bild „Fluch der Medusa“ hing und in zwei anderen modernen Bildern die alten Fresken der Kirche mit dem Thema „Seligpreisungen“ aufgegriffen worden sind. (http://www.klaus-heidegger.at/?p=6498) Inzwischen sind die alten, dunkelschweren Beichtstühle verschwunden. Dafür wurde ein neuer diskreter Raum geschaffen, in dem die Gesprächsoase Heimat gefunden hat. Eine moderne gläserne Wand mit unzähligen barock wirkenden gemalten Verschnörkelungen – entsprechend dem barocken Interieur der Kirche – trennt den Eingangsraum vom Kirchenraum. Die Trennung ist jedoch nicht wirklich, denn die Einladung, die großen Glastüren zu öffnen, ist stärker. Ich verweile in der Kirche und lese das Buch „Die weise weiße Taube“. Es ist mehr als ein Kinderbuch. Es erzählt von einem Jungen, der traurig und enttäuscht in diese Kirche flüchtet. Dort begegnet ihm die weiße Taube, die ihm die zentrale Frage stellt – die an die ersten Worte des Auferstanden erinnern: „Warum bist du traurig?“ Im Evangelium spricht der Auferstandene die Emmausjünger mit den Worten an: „Warum seid ihr so traurig?“ Zurück zum Buch: Der traurige Junge wird nun von der weißen Taube an verschiedene Orte der Kirche geführt und lernt vor allem die Kraft der Seligpreisungen kennen.

Seit einiger Zeit gibt es auch einen knallgelben Briefkasten vor dem rechten Seitenaltar. Er ist zum Dankespostkaten umfunktioniert worden. Am Stehpult davor laden Postkarten ein, einen Dank darauf zu schreiben und in den Postkasten zu werfen. Ich schreibe heute ein paar Zeilen – für das, was mein Leben hell macht. Motiviert von diesem kurzen Impuls setze ich mich dann nach dem Spaziergang vor den Computer, um meinen Dank noch zu erweitern.

dankbar

für diese Idee in der Spitalskirche in Innsbruck,
die zum Danken motiviert;

für das Strahlen in den Augen eines Menschen,
in denen sich ein Himmel spiegelt;

für eine heilende Berührung,
die den Schmerz lindert;

für Familienmenschen,
die fürsorgend zusammenhalten;

für die Liebsten im Leben,
die ihren Weg gefunden haben;

für ein tröstendes Wort,
das die Klage verwandelt;

für die freundliche Bedienung in der Bäckerei,
die positiv in den Tag führt;

für das Engagement einer Schülerin,
die sich am eigenen Erfolg freut;

für eine gelungene Schulstunde,
die den Lehrberuf auszeichnet;

für die Achtsamkeit der Ärztin,
die in der Krankheit hilft;

für die schneebedeckten Berge,
in denen neue Abenteuer warten;

für eine selbstbewusst-kritische Kirche,
die in der Spur Jesu ist;

für die vielen jungen Menschen,
die gegen die Klimakatastrophe ankämpfen;

für Menschen in deinem Leben,
die gerade in schweren Zeiten zu dir halten;

für das Gezwitscher der Vögel,
die den Frühling verkünden;

für Organisationen,
die sich für eine Verbesserung der Welt einsetzen;

für göttliche Spuren im Leben,
die sich jeden Tag neu finden lassen;

für…

klaus … 11.2.2022