Feltre: Eine Stadt im bröckelnden Glanz der Renaissancebauten – Friaul-Impressionen, Teil 4

Dort, wo im Norden die kühne Bergwelt der Dolomiten beginnt – die hohen Gipfel sind mit neuem Schnee bedeckt, wo die Gebirgsflüsse prallvoll in die weiten Ebenen Venetiens im Süden fließen, wo die Täler eng zu werden beginnen und die ertragreichen landwirtschaftlichen Flächen den wilden Gebirgstälern mit den imposanten Felswänden weichen, dort gibt es eine Stadt verborgen vom aufgeregten Interesse des Weltgeschehens. Auch mir war ihre merkwürdige Schönheit bislang verborgen. Es scheint, dass sich auch kaum Touristinnen und Touristen hierher verirren. So liegt die Stadt abseits der Verkehrsströme, die sich zu den Massenzentren an der Adria bewegen. Die Geschichte von Fetre geht weit zurück in die Vergangenheit, als die Stadt noch eine wichtige Station auf der Via Claudia Augusta, der Römerstraße von Aquileia nach Augsburg war. Die von Mauern umgebene Oberstadt mit alten Straßenpflasterungen und einst prunkvollen Häusern aus der Renaissancezeit – die heute großteils einem Prozess des Verfallens ausgesetzt sind – atmet eine besondere Geschichte. Am großen Platz unterhalb einer Kathedrale und der mächtigen Burg steht auf einer Säule das Machtzeichen der venezianischen Herrschaft, der Löwe. Wir sind die einzigen Touristen. Eine Tigerkatze sitzt träge auf einer Mauer. Ein Schild an einer bröckelnden Palastfassade zeigt „KARLSPLATZ“. Die Habsburger regierten von 1509-1866 in dieser Stadt, dann wieder Italien. In sinnlosen Schlachten versuchten die Herrscher jeweils neu den Menschen ihre Herrschaften aufzuzwingen. 1943 trafen sich in Ferge Hitler und Mussolini, um sich in ihren totalitären Gelüsten zu verbünden. Mich fröstelt nicht wegen der kühlen Temperaturen, sondern wegen der Gedanken an diese beiden faschistischen Verbrecher. Die Kellnerin in einer Pizzeria – es ist die einzige Einkehrmöglichkeit in der Altstadt – strahlt dafür umso mehr Wärme aus und vertreibt die dunklen Gedanken an die vergangenen Kriege, die diesem Gebiet immer wieder ihren grausamen Stempel aufgedrückt haben.

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